Urbane Experimentierflächen & Koproduktionszonen

Die Nutzung und Entwicklung von Städten ist weitgehend geregelt. Raum für Experimente gibt es wenig. Damit sich Städte zukunftsfähig weiter entwickeln können, müssen jedoch neue Ideen und ungewöhnliche Nutzungen im Stadtraum ausprobiert werden können. Denn Stadtentwicklung basiert auf der Koproduktion von Stadträumen durch eine Vielzahl von Akteur*innen. Urbane Experimentierflächen könnten es Stadtbewohner*innen ermöglichen, die Nutzung von Flächen selbstorganisiert auszutesten und untereinander auszuhandeln. Dadurch kann – so unsere These – die Produktion von Räumen gemeinschaftlich und nutzer*innengerecht gestaltet werden.  weiterlesen

Während einer Forschungswoche im Mai 2018 in Zürich wurden unterschiedliche urbane Experimentierflächen vom Hidden Institute eröffnet und getestet. Dabei wollten wir herausfinden, wie der öffentliche Raum gemeinschaftlich genutzt werden kann – nicht im Sinne eines passiven Nebeneinanders sondern als offener Raum eines aktiven Miteinanders.

Eine Gruppe ging der Frage nach, inwiefern Stadträume kurzzeitig gemeinschaftlich produziert werden können – beispielsweise dadurch, dass viele Menschen an einem Ort zeitgleich dieselbe Musik von ihren Smartphones abspielen. Eine zweite Gruppe stellte sich hauptsächlich Fragen zur materiellen Beschaffenheit urbaner Experimentierflächen und testete diverse Methoden des physischen Markierens solcher Flächen im Stadtraum. Dabei wurden in den Gruppen sowie mit Passant*innen Herausforderungen und Möglichkeiten von urbanen Experimentierflächen diskutiert und weiter entwickelt.

Die Ergebnisse wurden im Pavilleon öffentlich präsentiert und mit dem Publikum entlang unterschiedlicher Fragen zu den sozialen, planerischen, rechtlichen und politischen Chancen und Hürden diskutiert.

Weitere Forschungsagenda

In Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteur*innen (Stadtbewohner*innen, Verwaltung etc.) forscht das HI in weiteren Städten mit Experimentierflächen. Durch Experimente, Workshops und Diskussionen wird weiteres Praxiswissen generiert. Wir freuen uns diesbezüglich über Einladungen, Inputs und Hinweise (z.B. per E-Mail)!

Darauf aufbauend sollen in Zusammenarbeit mit Stadtbewohner*innen, Verwaltung und Politik temporäre Experimentierflächen eröffnet werden. Die Nutzung und Gestaltung solcher Flächen soll von Stadtbewohner*innen weitgehend selbstorganisiert ausgehandelt werden und seitens Verwaltung und Politik unterstützt und begleitet werden. Das Ziel ist dabei, Wissen über Möglichkeiten zur Verstetigung und Verbreitung solcher Flächen als „Koproduktionszonen“ zu generieren. Ein solches Planungsinstrument könnte von Stadtverwaltungen und Politik ähnlich wie BIDs (Business Improvement Districts) in Zusammenarbeit mit aktiven Stadtbewohner*innen angewendet werden um eine langfristige Aneignung und selbstorganisierte Aushandlung der Nutzung dieser Flächen zu gewährleisten.

Das Entwickeln solcher Koproduktionszonen sowie die Koproduktionszonen selbst würden ein ständiges voneinander Lernen der Beteiligten fördern und könnten zu einer Transformation von Städten beitragen, indem sie Diskurse zur nutzer*innengetragenen Stadtentwicklung anregen und die Transformationen von konkreten Stadträumen vorantreiben. Koproduktionszonen sind per se als Prozess zu verstehen, dessen Hauptmerkmal die ständige reflexive Neuaushandlung und Transformation von Stadträumen durch die Akteur*innen ist.

Hintergrund

2015/2016 haben Akteur*innen des Hidden Institutes gemeinsam mit Laura Bruns («Team Stadt Statt Strand») im Auftrag des deutschen Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ein Forschungsprojekt zur kreativen Nutzung von städtischen Freiräumen bearbeitet.

Neben der «Freiraumfibel» – eine Anleitung für junge Stadtmacher*innen zur kreativen Nutzung von urbanen Freiräumen – wurden Handlungsempfehlungen an politische und administrative Akteur*innen erarbeitet und in einem Forschungsbericht veröffentlicht. Zwei Handlungsempfehlungen sind im Hinblick auf urbane Experimentierflächen besonders relevant und dienen als Grundlagen für unsere Forschung zu urbanen Experimentierflächen:

1. Es sollte ein bundesweiter Spontanparty-Leitfaden erarbeitet werden, denn das Organisieren von spontanen Partys im Freien ist längst gängige Praxis unter Jugendlichen geworden. Viele Stadtverwaltungen sind jedoch vor allem überfordert damit, weil sie nicht über Instrumente und Regeln verfügen um dieser Praxis entgegenzukommen. Ausnahmen sind Städte wie Halle, Bremen oder Zürich, die spezifische Flächen für solche Partys ausweisen oder Genehmigungsverfahren vereinfacht haben. Empfohlen wurde daher, dass aufbauend auf den Erfahrungen in diesen Städten Leitfäden und Richtlinien als Orientierungshilfen für weitere Kommunen erarbeitet werden sollten, wie Stadtverwaltungen Spontanparties ermöglichen können.

2. Es sollten in Flächennutzungsplänen bzw. Bebauungsplänen sogenannte «Experimentierflächen» ausgewiesen werden, die keine genaue Nutzungsart vorsehen. So sollen unkonventionelle Freiraumnutzungen seitens der Stadtverwaltungen aktiv gefördert und wechselseitige Lernprozesse unter den Beteiligten über die Nutzung solcher Flächen ermöglicht werden.

Organisation

Die Forschungswoche in Zürich erfolgte auf Einladung des Pavilleons. Die zweijährige Zwischennutzung im Herzen Zürichs ist zugleich kultureller Freiraum und Stadtlabor, getragen vom gemeinnützigen Verein «Pavilleon».

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