PROJEKTE
Projekte vom Hidden Institute
Urbane Experimentierflächen & Koproduktionszonen
Die Nutzung und Entwicklung von Städten ist weitgehend geregelt. Raum für Experimente gibt es wenig. Damit sich Städte zukunftsfähig weiter entwickeln können, müssen jedoch neue Ideen und ungewöhnliche Nutzungen im Stadtraum ausprobiert werden können. Denn Stadtentwicklung basiert auf der Koproduktion von Stadträumen durch eine Vielzahl von Akteur*innen. Urbane Experimentierflächen könnten es Stadtbewohner*innen ermöglichen, die Nutzung von Flächen selbstorganisiert auszutesten und untereinander auszuhandeln. Dadurch kann – so unsere These – die Produktion von Räumen gemeinschaftlich und nutzer*innengerecht gestaltet werden. weiterlesen
Während einer Forschungswoche im Mai 2018 in Zürich wurden unterschiedliche urbane Experimentierflächen vom Hidden Institute eröffnet und getestet. Dabei wollten wir herausfinden, wie der öffentliche Raum gemeinschaftlich genutzt werden kann – nicht im Sinne eines passiven Nebeneinanders sondern als offener Raum eines aktiven Miteinanders.
Eine Gruppe ging der Frage nach, inwiefern Stadträume kurzzeitig gemeinschaftlich produziert werden können – beispielsweise dadurch, dass viele Menschen an einem Ort zeitgleich dieselbe Musik von ihren Smartphones abspielen. Eine zweite Gruppe stellte sich hauptsächlich Fragen zur materiellen Beschaffenheit urbaner Experimentierflächen und testete diverse Methoden des physischen Markierens solcher Flächen im Stadtraum. Dabei wurden in den Gruppen sowie mit Passant*innen Herausforderungen und Möglichkeiten von urbanen Experimentierflächen diskutiert und weiter entwickelt.
Die Ergebnisse wurden im Pavilleon öffentlich präsentiert und mit dem Publikum entlang unterschiedlicher Fragen zu den sozialen, planerischen, rechtlichen und politischen Chancen und Hürden diskutiert.
Weitere Forschungsagenda
In Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteur*innen (Stadtbewohner*innen, Verwaltung etc.) forscht das HI in weiteren Städten mit Experimentierflächen. Durch Experimente, Workshops und Diskussionen wird weiteres Praxiswissen generiert. Wir freuen uns diesbezüglich über Einladungen, Inputs und Hinweise (z.B. per E-Mail)!
Darauf aufbauend sollen in Zusammenarbeit mit Stadtbewohner*innen, Verwaltung und Politik temporäre Experimentierflächen eröffnet werden. Die Nutzung und Gestaltung solcher Flächen soll von Stadtbewohner*innen weitgehend selbstorganisiert ausgehandelt werden und seitens Verwaltung und Politik unterstützt und begleitet werden. Das Ziel ist dabei, Wissen über Möglichkeiten zur Verstetigung und Verbreitung solcher Flächen als „Koproduktionszonen“ zu generieren. Ein solches Planungsinstrument könnte von Stadtverwaltungen und Politik ähnlich wie BIDs (Business Improvement Districts) in Zusammenarbeit mit aktiven Stadtbewohner*innen angewendet werden um eine langfristige Aneignung und selbstorganisierte Aushandlung der Nutzung dieser Flächen zu gewährleisten.
Das Entwickeln solcher Koproduktionszonen sowie die Koproduktionszonen selbst würden ein ständiges voneinander Lernen der Beteiligten fördern und könnten zu einer Transformation von Städten beitragen, indem sie Diskurse zur nutzer*innengetragenen Stadtentwicklung anregen und die Transformationen von konkreten Stadträumen vorantreiben. Koproduktionszonen sind per se als Prozess zu verstehen, dessen Hauptmerkmal die ständige reflexive Neuaushandlung und Transformation von Stadträumen durch die Akteur*innen ist.
Hintergrund
2015/2016 haben Akteur*innen des Hidden Institutes gemeinsam mit Laura Bruns («Team Stadt Statt Strand») im Auftrag des deutschen Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ein Forschungsprojekt zur kreativen Nutzung von städtischen Freiräumen bearbeitet.
Neben der «Freiraumfibel» – eine Anleitung für junge Stadtmacher*innen zur kreativen Nutzung von urbanen Freiräumen – wurden Handlungsempfehlungen an politische und administrative Akteur*innen erarbeitet und in einem Forschungsbericht veröffentlicht. Zwei Handlungsempfehlungen sind im Hinblick auf urbane Experimentierflächen besonders relevant und dienen als Grundlagen für unsere Forschung zu urbanen Experimentierflächen:
// Es sollte ein bundesweiter Spontanparty-Leitfaden erarbeitet werden, denn das Organisieren von spontanen Partys im Freien ist längst gängige Praxis unter Jugendlichen geworden. Viele Stadtverwaltungen sind jedoch vor allem überfordert damit, weil sie nicht über Instrumente und Regeln verfügen um dieser Praxis entgegenzukommen. Ausnahmen sind Städte wie Halle, Bremen oder Zürich, die spezifische Flächen für solche Partys ausweisen oder Genehmigungsverfahren vereinfacht haben. Empfohlen wurde daher, dass aufbauend auf den Erfahrungen in diesen Städten Leitfäden und Richtlinien als Orientierungshilfen für weitere Kommunen erarbeitet werden sollten, wie Stadtverwaltungen Spontanparties ermöglichen können.
// Es sollten in Flächennutzungsplänen bzw. Bebauungsplänen sogenannte «Experimentierflächen» ausgewiesen werden, die keine genaue Nutzungsart vorsehen. So sollen unkonventionelle Freiraumnutzungen seitens der Stadtverwaltungen aktiv gefördert und wechselseitige Lernprozesse unter den Beteiligten über die Nutzung solcher Flächen ermöglicht werden.
Organisation
Die Forschungswoche in Zürich erfolgte auf Einladung des Pavilleons. Die zweijährige Zwischennutzung im Herzen Zürichs ist zugleich kultureller Freiraum und Stadtlabor, getragen vom gemeinnützigen Verein «Pavilleon».
Fotos
Projektstudie zur Kooperation von Zivilgesellschaft und Stadtverwaltung
Die Projektstudie dient als Grundlage um im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg „eine Arbeits- und Koordinierungsstruktur zu etablieren, die eine wirksame Kollaboration zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung ermöglicht, um die aktuelle Liegenschafts-, Bau-, Wohn- und Freiraumpolitik in Richtung einer breiten gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung zu fördern.“ Zu ihren Aufgaben zählt unter anderem, dass sie zivilgesellschaftliche Akteur*innen fördert und sie mit der Verwaltung vernetzt, neue (kommunale) Steuerungsformen anregt und neue Kooperationen zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltung begleitet, Informationen aus der Verwaltung über Stadtentwicklungs- und Entscheidungsprozesse zur Verfügung stellt sowie die Akquise von Ressourcen zur Stadtentwicklung durch die Zivilgesellschaft unterstützt. weiterlesen und download
Die Entwicklung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg wird seit langem von einer engagierten Zivilgesellschaft geprägt. Einzelpersonen, Organisationen und Gruppen nehmen Einfluss auf die Bezirkspolitik und gestalten die Entwicklung von konkreten Orten mit, indem sie eigene Ressourcen einbringen. Allerdings hemmen verschiedene Faktoren die direkte und produktive Zusammenarbeit mit den Behörden. Dazu zählen unterschiedliche Interessen, mangelnder Zugang zu Information und eine ungenügende Einbindung von Stadtbewohner*innen in behördliche Planungen. Die vorgesehene Koordinierungsstelle soll helfen derartige Hemmnisse abzubauen.
Das Forschungsdesign der Projektstudie basiert auf einem Verständnis von Stadtentwicklung als Resultat aus dem Zusammenspiel verschiedener Akteur*innen mit teilweise divergierenden Interessen. Aus dieser Governance-Perspektive heraus wurden vor allem die Forderungen und der Bedarf von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen in den Blick genommen, um mit Politiker*innen und Vertreter*innen von Behörden besser zusammenarbeiten zu können. Zentraler Teil der Studie war dabei eine Forschungs- und Vernetzungswerkstatt, die im 1. Quartal 2018 stattgefunden hat (siehe Foto). Aufbauend auf den Ergebnissen wurde eine Koordinierungstruktur entwickelt, die sowohl in die Initiativenlandschaft des Bezirks wie auch öffentliche Verwaltungsstrukturen eingebettet sein soll.
Organisation
Im Auftrag des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg wurde die Projektstudie durch die transdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft KOOP X.Hain GbR erarbeitet. Die Arbeitsgemeinschaft bilden Konrad Braun (Hidden Institute), Elizabeth Calderón Lüning (Common Grounds) Hans Joachim Toppius (Kollegen 2,3) und Julia Förster. Sie wurde dabei durch Vertreter*innen stadtpolitischer Initiativen, aktiven Einzelpersonen und Berater*innen aus Forschung und Praxis unterstützt, zu denen unter anderem Christoph Casper vom RAW.Kulturensemble sowie Iver Ohm und Michael Ziehl vom Hidden Institute zählen.
Material
Download (PDF): Studie zum Aufbau einer Koordinierungsstelle für die Vernetzung und Kooperation von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und administrativen Strukturen im Handlungsfeld Stadtentwicklung im Kezirk Friedrichshain-Kreuzberg
Horizontale Kooperationen zur gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung
Wer beteiligt wen, woran und wie? – Ob bei der Gestaltung von öffentlichen Räumen, der Aufwertung von Stadtteilen, dem Verkauf von städtischen Flächen oder der Konzeption von Naherholungsorten – in vielen Fällen gibt es Kritik von Stadtbewohner*innen, wenn bei Fragen der Stadtentwicklung kein Dialog auf Augenhöhe mit den betroffenen Akteuren entsteht. Beteiligungsformaten liegt in der Regel ein Top-Down-Verständnis zu Grunde, wobei Stadtbewohner*innen an weitgehend fertigen Planungen „beteiligt“ werden sollen. Hinzu kommt, dass ihre Vorschläge oft vernachlässigt oder nicht umgesetzt werden. Daher stellt sich die Frage, wie Akteure aus der Politik, den Behörden und der Zivilgesellschaft so zusammenarbeiten können, dass akzeptable Ergebnisse für alle Beteiligten erzielt werden. weiterlesen
Anhand aktueller Stadtentwicklungsprozesse wie Stuttgart 21, der Sanierung des Gängeviertels in Hamburg oder der Nutzungen auf dem Tempelhofer Feld in Berlin lässt sich beobachten, dass es zukünftig nicht mehr nur um Beteiligung „von oben“ gehen kann.
Wenn Politik, Behörden und Zivilgesellschaft gemeinsame Lösungen erarbeiten wollen, dann muss es um Kooperation und Verhandlung auf Augenhöhe gehen. Eine oft genannte Forderung von stadtpolitischen Initiativen ist daher, dass Politik und Verwaltung alle relevanten Informationen sowie Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten umfassend transparent machen. Des Weiteren müssen Formate und Strukturen entwickelt und umgesetzt werden, die eine Verhandlung von Positionen, Wissenszugängen und Interessen auf Augenhöhe aktiv unterstützen.
Ausgehend von diesen Beobachtungen bringt sich das Hidden Institute aktiv in Stadtentwicklungsprozesse ein. In Berlin werden daher gemeinsam mit stadtpolitischen Akteuren Verfahren zur Wissensvermittlung und Formate zur horizontalen Kooperation entwickelt. Dadurch soll eine gemeinwohlorientierte Gestaltung von städtischen Transformationsprozessen unterstützt werden.
1. Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines Positionspapiers zu Vermittlungs- und Beratungsstellen für urbanes Engagement in Berlin
Die Arbeitsgruppe beschäftigte sich seit März 2016 mit der Frage, wie öffentliche Anlaufstellen für Stadtbewohner*innen gestaltet und eingerichtet werden können um ihr Engagement in Stadtentwicklungsprozessen zu unterstützen. Sie besteht aus Vertreter*innen von Initiativen und Einzelpersonen mit teilweise sehr unterschiedlichen Anforderungen an solche Anlaufstellen. Das Hidden Institute begleitet diesen Prozess durch die Moderation und Dokumentation von Arbeitstreffen und bringt praxisorientierte und theoriebasierte Expertise ein.
Hintergrund:
Die Idee zur Entwicklung eines Positionspapiers für Vermittlungs- und Beratungsstellen ist unter anderem durch die Ergebnisse des Forschungsprojekts Kreative Nutzung von Freiräumen in der Stadt – Freiraumfibel entstanden, das im Auftrag des Bundesministeriums für Bau-, Stadt und Raumforschung umgesetzt wurde. Als Ergebnis der Forschung wurde empfohlen, dass öffentliche Anlaufstellen eingerichtet werden sollen (siehe Handlungsempfehlung 1 auf Seite 5 im zugehörigen Forschungsbericht), die das zivilgesellschaftliche Engagement in der Stadtentwicklung unterstützen. Bezugnehmend auf diese Handlungsempfehlung wurde im März 2016 auf dem „Urban Parliament“ in der Akademie der Künste Berlin im Rahmen der Ausstellung DEMO:POLIS öffentlich diskutiert, wie solche Anlaufstellen als Vermittlungs- und Beratungsstellen konzipiert und für Berlin eingefordert werden könnten.
2. Beteiligung am „Initiativkreis Stadtforum von Unten“
Der Initiativkreis hat sich aus Kritik an den Formen der aktuellen Entwicklung von „Leitlinien für Bürgerbeteiligung für Projekte und Prozesse der räumlichen Stadtentwicklung“ (siehe stadtentwicklung.berlin.de) gegründet. Er fordert, dass die Zivilgesellschaft an Stadtentwicklungsprozessen umfassender beteiligt wird und die Planung und Umsetzung von Beteiligung offener und hierarchiefreier gestaltet wird (siehe stadtforum-von-unten.de). Um diese Forderung in die Praxis umzusetzen wurde ein „Stadtforum von Unten“ initiiert, das am 26. Juni 2017 parallel und am gleichen Ort wie das offizielle Berliner Stadtforum stattfand. Dabei wurde in einer horizontal strukturierten Versammlung (Assembly) mit rund 250 Teilnehmen*innen über die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen von Beteiligung und Teilhabe in der Stadtentwicklung diskutiert. Das Hidden Institute unterstützt den Initiativkreis durch inhaltliche Expertise, die Moderation von Arbeitskreisen und begleitet die Dokumentation des „Stadtforums von Unten“.
Hintergrund:
Die Idee, Umsetzung und Forderung nach einer Förderung des Stadtforums von Unten gibt es in Berlin seit den 90er Jahren. Es war als Gegenentwurf zum offiziellen Stadtforum gedacht (siehe Antrag an das AGH Berlin). Aus Sicht der Initiativgruppe ist es immer noch notwendig, dass der Austausch zwischen den Akteuren horizontal organisiert wird. Daher wurde aus den Diskussionsergebnissen des „Stadtforums von Unten“ im Juni 2017 ein Forderungspapier zur Neuausrichtung des offiziellen Stadtforums erstellt und zusammen mit einem vom Initiativkreis vorbereiteten Projektantrag zur „Beteiligung an der Beteiligungsplanung“ auf der öffentlichen Abschlussveranstaltung an die Senatorin für Stadtentwicklung Katrin Lompscher übergeben. Derzeit wird vom Initiativkreis ein zweites „Stadtforum von Unten“ für Herbst 2017 geplant und die Ergebnisse des ersten Forums vom Juni umfassend aufgearbeitet
(Foto oben von Till Budde via bizim-kiez.de)
Zivilcourage? – Solidarisches Handeln im Alltag
Öffentliche Orte wie Plätze, Straßen, U-Bahnen und das Internet sind alltägliche (Ver-)Handlungsräume für gesellschaftliche Transformationsprozesse. Wie auch in privaten Räumen, so ist dort ist ein alltägliches Handeln gegen Rassismus notwendig, wenn wir die Gesellschaft in der wir leben, offen, sozial und inklusiv gestalten wollen. Zivilcourage ist eine von vielen möglichen Formen des Widerstands, die spätestens seit den Gräueltaten des NS-Regimes als individuelles Handeln in Unrechtssituationen anerkannt ist. In diesem Zusammenhang verstehen wir Zivilcourage auch als Widerstand gegen diskriminierende Strukturen und Vorurteile sowie gegen physische und psychische Übergriffe. Um zu üben wie Zivilcourage im Alltag einfach und wirksam umzusetzen ist, und um herauszufinden wie Strategien gegen Rassismus und rechten Populismus wieder stärker sichtbar gemacht werden können, entwickeln wir derzeit eine Reihe von Workshops, die in Kulturinstitutionen und in öffentlichen Räumen stattfinden sollen. weiterlesen
Die Workshops werden gemeinsam mit Sonja Hornung (Bildende Künstlerin / Berlin), Iver Ohm (Hidden Institute / Berlin) und _Willi Hejda (GegenKulturarbeiter_in / Wien) sowie weiteren Personen entwickelt und konzipiert. Sie sind jeweils für viele Teilnehmer*innen (100-200 Personen) gedacht und auf ein bis zwei Tage ausgelegt. Sie werden zusammen mit Trainer*innen aus diversen Bereichen (Aktivismus, Rechtsberatung, Theater der Unterdrückten, Verein Gesicht Zeigen! etc.) umgesetzt und sollen anfangs vor allem in Theaterräumen erprobt werden. Der erste Test-Workshop hat daher am 12. September 2017 in Kooperation mit dem Maxim Gorki Theater in den Räumen des Theaters in Berlin stattgefunden und wurde durch die Rosa-Luxemburg Stiftung gefördert.
Derzeit erarbeiten wir eine Dokumentation dieses ersten Test-Workshops und überlegen uns ob und wenn ja wie das Projekt weitergeht.
Weitere Infos unter: http://civilcourage.macuco.org/
Reclaim Your Club
Reclaim Your Club ist eine Diskussions- und Workshopreihe des Hidden Institute, die zwischen September 2015 und Juni 2017 stattgefunden hat. Insgesamt wurden drei Veranstaltungen im Rahmen von verschiedenen Kongressen umgesetzt (Reclaim Your City Kongress, 7. und 8. Hedonistischer Weltkongress). Dabei ging es um die Frage, wie Club- und Party-Kollektive eine selbstreflexive Praxis in Bezug auf die alltägliche Reproduktion von hegemonialen Macht- und Verwertungslogiken umsetzen können. Darauf aufbauend wurden Alltagspraktiken für den Club- und Partybetrieb diskutiert und mit den Teilnehmenden schrittweise (weiter-)entwickelt. Aus der Initiative von Teilnehmenden heraus wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich zum „Reclaim Club Culture“-Netzwerk entwickelt hat und rund 20 Kollektive der Berliner Club- und Partyszene umfasst. In Zusammenarbeit mit dem Hidden Institute wurde die Reclaim Your Club Fibel erarbeitet und im Sommer 2017 veröffentlicht. weiterlesen und download
Inhaltliche Grundlage der Wissensproduktion in den Workshops bildeten Forschungsfragen, die vor dem Hintergrund einer beobachteten Kommodifizierung und Professionalisierung der Kunst- und Kulturproduktion im Zuge neoliberaler Stadtentwicklungspolitik aufgestellt wurden. Der Fokus lag dabei auf einer vermuteten (Re-)Politisierung der Clubcultur und emanzipatorischen (Alltags-)Strategien im Clubbetrieb. Als Teilnehmer*innen der Workshops wurden Vertreter*innen von Club- und Partykollektiven aus verschiedenen Städten eingeladen. Die Workshops waren offen angelegt und wurden in der Szene beworben, daher konnten sich auch Gäste als Expert*innen des Club- und Partyalltags einbringen. Auf Basis dieses partizipativen Forschungsdesigns wurden die Workshops als kollektiver Wissensaustausch organisiert und von mehreren Moderator*innen so strukturiert, dass Handlungsansätze erarbeitet wurden, die sich laut den Teilnehmenden als Grundlage für einen emanzipatorischen Party- und Clubbetrieb eignen. Dabei wurden die Handlungsansätze in mehrere Bereiche eingeteilt (booking, staff, structure – hierarchy, networking, awareness & safer spaces, inclusion – exclusion, doorpolicy).
Fazit
Wie sich gezeigt hat, nehmen die teilnehmenden Partygänger*innen und Clubbetreiber*innen eine zunehmende Kommodifizierung und Professionalisierung der Party- und Clubszene wahr. Diese Entwicklung lässt sich insbesondere in Berlin beobachten. Dort hat sich in der Nachwendezeit eine heterogene, selbstorganisierte und nicht-kommerzielle Party- und Clubszene herausgebildet. Diese gerät im Zuge der Stadtentwicklung Berlins zunehmend unter Druck, da Orte der Szene von Mietsteigerungen betroffen sind und für die Immobilienentwicklung attraktiv werden. Gleichzeitig erlangen auch Nischenorte durch den ausgeprägten Partytourismus in Berlin größere Bekanntheit. In diesem Zuge steigt teilweise der Kontroll- und Regulierungsdruck von Seiten der Stadtverwaltung. In Folge müssen sich viele Projekte strukturell professionalisieren, wodurch emanzipatorische Praktiken wie Selbstorganisation, Offenheit, Nicht-Kommerzialität in den Hintergrund treten. Dennoch besteht bei vielen Akteuren ein ausgeprägtes Wissen über emanzipatorische Praktiken und es gibt das Bestreben, darauf aufbauend Handlungsansätze für eine emanzipatorische Party- und Clubkultur zu reaktivieren und zu entwickeln. Einige Anregungen dazu wurden in der Reclaim Your Club Fibel zusammengetragen.
Organisation
Die Reclaim Your Club Workshops und die Reclaim Your Club Fibel wurden vom Hidden Institute in Zusammenarbeit mit dem „Reclaim Club Culture“-Netzwerk organisiert und umgesetzt.
Material
Download: Reclaim Your Club Fibel (Webansicht)
Download: Reclaim Your Club Fibel (Druck)
Transformierende Gemeinschaften
Vom 13. bis 15. November 2015 fand der Workshop „Gemeinschaft gestalten“ im Rahmen der transdisziplinäre Tagung „NachDenkstatt– Miteinander.Wandel.Denken.“ an der Oldenburger Carl von Ossietzky Universität statt. Ausgehend von den Wünschen und Utopien der rund zwanzig Teilnehmenden wurden grundlegende Fragen zum Leben in Gemeinschaften diskutiert. Darauf aufbauend und unter Berücksichtigung der individuellen Motivation und Interessen haben die Teilnehmenden Konzeptideen für Gemeinschaftsprojekte entwickelt, die sie weiterverfolgen wollen. Am zweiten Workshop-Tag präsentierten Heike Derwanz und Michael Ziehl vom Hidden Institute sieben Gemeinschaftsprojekte, die sie mit initiiert oder zu denen sie geforscht haben. weiterlesen
Präsentiert wurden die Nutzer*innengemeinschaft des Alten Sportamts sowie das Kunst- und Wohnprojekt Sproutbau in Bremen, das Gängeviertel, die Kleiderei und die Kleiderkammer Wilhelmsburg in Hamburg, der Kattendorfer Hof und der Leerstandsmelder als Online-Projekt. Anhand der Projektauswahl wurden unterschiedliche Formen des Miteinander vorgestellt und die jeweiligen Eigenschaften und Probleme erläutert. Die Erkenntnisse dienten als Grundlage für eine kritische Reflexion von Gemeinschaften im Kontext aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen.
Die vorgestellten Projekte sind entweder Konsum- oder Produktionsgemeinschaften. Des weiteren eint sie, dass ihre Mitglieder gemeinsam gesellschaftliche Teilbereiche transformieren wollen – wie Zugang zu Wohn- und Arbeitsräumen, Lebensmittelversorgung oder Kleidungskonsum. Daher der Begriff „transformierende Gemeinschaften“.
Fazit
Im Workshop konnten wir zeigen, dass transformierende Gemeinschaften nicht von einem Ort als Zentrum ausgehen. Sie können sich sporadisch zusammenfinden oder dezentral online existieren. Dennoch brauchen sie einen gemeinsam geteilten Raum, über den sie verfügen können. Sie finden zusammen aufgrund einer gemeinsam geteilten Idee oder durch den Willen Handlungen durch die Gemeinschaft sichtbarer, sinnvoller oder stärker zu machen. Der Aufbau von Gemeinschaften ist ein Aushandlungsprozess, bei dem Hierarchien, Images, Exklusionen und andere unvorhergesehene Entwicklungen produziert werden. Gemeinschaften werden aber auch durch äußere Faktoren beeinflusst.
Transformierende Gemeinschaften bilden sich als in der Regel als Reaktion auf (stadt-)gesellschaftliche Entwicklungen. Ihre Existenz ist in vielen Fällen prekär aufgrund von mangelnden Ressourcen und einem Spannungsfeld aus äußeren Einflüssen und internen Dynamiken. Wenn sie beendet werden, kann das verschiedene Ursachen haben – vom Erreichen des gemeinsamen Ziels bis zur Auflösung aufgrund zu vieler Widerstände. Auch wenn ihre Handlungsmacht und ihre Existenzzeit oftmals stark beschränkt sind, leisten sie in vielen Fällen einen aktiven Beitrag zu (stadt-)gesellschaftlichen Transformationsprozessen.
Organisation
Die Nachdenkstatt 2015 wurde veranstaltet von Studierenden der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Der Workshop „Gemeinschaft gestalten“ wurde in Kooperation mit dem Hidden Institute konzipiert und umgesetzt.
Material
Download: Dokumentation NachDenkstatt
Relay the Everyday
Unter dem Titel „Testing Relay“ fand im Oktober 2015 im Rahmen des 6. Urbanize Festivals in Wien der erste Workshop zu unserem Themenfeld „Relay – Alltägliche Ressourcen praktisch umverteilen“ statt. Nach viertägiger Vorbereitung wurden verschiedene „Relays“ in der Festivalzentrale und im öffentlichen Raum getestet. Rund fünfundzwanzig Teilnehmer*innen waren gekommen, um Konzepte und Ideen des nicht-kommerziellen Teilens und Weitergebens von alltäglichen Ressourcen praktisch und in gemeinsamer Diskussion zu erforschen. Vier verschiedene Arten von „Relays“ wurden gebaut und durch den Workshop getestet. Der nächste Workshop zu diesem Thema wird voraussichtlich im Mai 2018 in Zürich im Rahmen des Stadtlabors Pavilleon in Zürich stattfinden. weiterlesen
Der „Ticket-Fair-Teiler“ kann aus einer leeren Zigarettenschachtel oder ähnlichen kleinen, leichten und im Alltag vorhandenen Verpackungen bestehen und stellt ein sichtbares Behältnis zur Weitergabe von Fahrscheinen für den öffentlichen Nahverkehr dar. Der „Stadt-Fair-Teiler“ nimmt das Prinzip von Aushängen mit Abreißtelefonnummern auf und bezieht sich jeweils auf das Verteilen von einer Ressource, wie beispielsweise das Angebot einer Dusche, einer Mahlzeit oder Zeit für ein gemeinsames Kaffeetrinken. Schließlich wurde mit dem „Makro-Relay“ aus zwei großen Tafeln auf einem Gestell ein Objekt entwickelt, das den Tausch unterschiedlichster Gegenstände von Süßigkeiten über Stadtpläne bis hin zu Geld ermöglicht. Diese drei „Relays“ wurden während des Workshops im öffentlichen Raum installiert um deren Nutzung beobachten und anschließend zu analysieren zu können. Ein viertes gedankliches Experiment war das „iRelay“ welches die Beziehungen untersuchte, die durch Tauschen, Teilen, Weitergeben zwischen Menschen und anderen Menschen wie Dingen aufgebaut werden. Ein farbiges Ribbon als Zeichen für Solidarität soll eine Bereitschaft für Interaktion aufzeigen und so die Schwelle beim Ansprechen von Fremden nivellieren sowie damit das Verhältnis der Gebenden und Nehmenden bewusst zu einer Begegnung auf Augenhöhe relativieren.
Die „Relays“ wurden aus dem Nachdenken über Praktiken des Teilen, Tauschens und Schenkens in der Stadt entwickelt und fragen nach deren Grundlagen: Welche Gegenstände und Handlungsformen eignen sich dafür? Beispielsweise wird das Aufstellen von Give-away-Boxes, Foodsharing, der Austausch von Büchern in Bussen oder Boxen im öffentlichen Raum, von Werkzeugen oder das Weggeben von Dingen durch das Kennzeichen „zu Verschenken“ in Groß- und Kleinstädten seit vielen Jahren oft wie selbstverständlich realisiert. Im Design- und Entwicklungsprozess der „Relays“ wurden aus diesen Beispielen Fragen der Offenheit und Erkennbarkeit, von Zugangsschranken und Sichtbarkeiten, sowie die der Gefahr einer Zerstörung, abgeleitet. Die Platzierung im öffentlichen Raum, welche das „Relay“ durch eine kritische Masse erreichbar macht, ist ein weiterer grundlegender Faktor einer erfolgreichen Nutzung. Es wurde ebenfalls kritisch diskutiert, wessen „Gewinn“ gegebenenfalls durch das Umverteilen gemindert werden könnte und ob dies den solidarischen Grundgedanken unterstützt oder auch nicht.
Fazit
Teilen, Tauschen, Schenken, Stiften und Leihen sind durch „Relays“ möglich und können anonym oder sichtbar durchgeführt werden oder der persönliche Kontakt auf Augenhöhe bewusst gemacht werden. Sie zeichnen sich materiell dadurch aus, dass sie sich leicht anwenden, kopieren und verbreiten lassen, um in der Stadt sukzessiv, spontan und alltäglich zu wirken. Eine weitere Beobachtung des Workshops ist, dass sich durch diese Praktiken auch die Werte der getauschten Güter verändern, die einen vom Kontext abhängigen Wert, einen unabhängigen Wert oder einen symbolischen Wert besitzen. Sie reproduzieren nicht die Logik des „honorigen Spendens“ und Bedürftig-Seins einzelner, sondern entwerfen eine Alltagslogik, die quer zum rein Ich-bezogenen Konsum funktioniert.
Organisation
Das 6. Urbanize-Festival zum Thema „Do it Together. Perspektiven eines kooperativen Urbanismus“ wurde veranstaltet von dérive – Verein für Stadtforschung. Der Workshop „Relay“ wurde im Auftrag von dèrive für das Festival-Themenfeld „Perspektiven eines kooperativen Urbanismus“ vom Hidden Institute konzipiert und durchgeführt.
Fotos